32. Spieltag SG Dynamo Dresden - Fortuna Düsseldorf

Hauskeller stand in der Dynamo-Tankstelle hinter der Theke und träumte vor sich hin. Es gab immer mal so ein paar Minuten, in denen der Strom der Autofahrer abebbte und er ein bisschen Zeit hatte. ‚Mensch, nächste Saison,‘ dachte er, ‚da kannst du die Spiele gegen Köln und den HSV ansagen, die Bördebauern kamen elbaufwärts, Union und die Schachter sowieso.‘ Nun mussten die Jungs nur noch die Klasse endgültig halten.

Das würde nicht einfach werden gegen die Fortuna. Zwar hatte Dynamo gegen die eigentlich immer gut ausgesehen, doch Funkel, der alte Trainerfuchs hatte im Spiel gegen Ingolstadt schon gezeigt, dass er seine Mannschaft auch als Konterteam aufstellen kann. Die Spielstatistik las sich wie eines der vielen Spiele, in denen seine Schwarz-Gelben das Spiel bestimmt, mehr Ballbesitz, mehr aufs Torgeschossen, mehr Zweikämpfe gewonnen – und am Ende doch verloren hatten. Nur dass diesmal eben die Ingos die Leidtragenden dieser Spielweise gewesen waren.

Und nun noch der Reiz, mit einem Sieg den Aufstieg klarmachen zu können. Zwar müssten sie nicht ein Spiel mehr gewinnen, wenn sie einfach gegen Kiel einen Punkt holten, doch darauf würden sie sich wohl nicht verlassen wollen. In der Bild stand schon ein Ablaufplan, wie die Fortunen nach dem Aufstiegssieg mit Chartermaschine zum Feiern nach Düsseldorf düsen wollten. Zwar hatte das der Friedhelm dementiert, aber er wusste, wie sich sowas in den Hinterköpfen festsetzt.

Dynamo brauchte die drei Punkte viel mehr, wenn sein Traum von rauschenden Fußballfesten in der nächsten Saison nicht im Schacht auf die Probe gestellt werden oder gar in einem Zitterspiel am letzten Spieltag zu platzen drohen sollte. Gute Erfahrungen gab es nicht mit solchen Endspielsituationen – die beiden Abstiege aus der 2. Liga waren, wenn auch unterschiedlich, jeweils erst am Saisonschluss Wirklichkeit geworden.

‚Ich muss das am Samstag irgendwie hinkriegen, dass von Anfang an klar ist, wer hier gewinnen wird, aber ohne dass die Jungs noch mehr Druck verspüren.‘ Kurz überlegte er, ob er den neuen Hauptsponsor wegen einer kleinen Extra-Siegprämie anrufen sollte. Der hatte ja offenbar nicht nur ein Dynamo-Herz, sondern auch das nötige Kleingeld dafür. Aber das verwarf Hauskeller, weil er ahnte, dass Neuhaus darüber not amused wär. ‚Das können wir uns immer noch aufheben, falls es hart auf hart kommt.‘

Als ihm nichts einfiel, beschloss er einfach auf sein Bauchgefühl zu hören. Als er am Sonnabend auf den Rasen trat, um die Fans zu begrüßen und einzustimmen, spürte er auch ohne Choreo eine besondere Energie im Stadion. Im Rund war offenbar den meisten bewusst, dass es nun ums Ganze ging. Hauskeller hieß die Zuschauer wie immer „auf das Allerherzlichste willkommen“. Dann veränderte er den gewohnten Ablauf. Er begrüßte die Gäste ausführlich, erinnerte an die Dynamo-Vergangenheit des Fortunen-Bosses, was der schwarz-gelbe Anhang mit Beifall quittierte, und sagte dann: „Lieber Robert Schäfer, liebe Fortuna-Fans, ich habe für euch eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute ist, ihr werdet aufsteigen, die schlechte – nicht heute.“ In den frenetischen Jubel der Dresdner Fans hinein kam dann sein „und das hat einen einzigen Grund: Gebt mir ein D.“ Jeder, der schon mal im Stadion war, kannte den Donnerhall als Antwort. Diesmal aber war er noch lauter, noch inbrünstiger, noch dynamischer.

Und das Stadion bebte weiter, beim 1:0 von Duljevic explodierte es fast, beim 2:0 von Aosman gab es kein Halten mehr, nach dem 3:0 von Franke dröhnte es durchs Rund: „Nie mehr dritte Liga, nie mehr, nie mehr.“ Hauskeller sang aus vollem Halse mit. Sein Traum würde wahr werden.
This contribution was last edited by Kermit_der_Frosch on Apr 26, 2018 at 4:17 PM hours